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Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser. Wirklich?

Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser. Wirklich?

Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser! Dieser Spruch wird sinngemäß Lenin zugeschrieben (tatsächlich soll er wohl eher „Vertraue, aber prüfe nach" gesagt haben) und er wird auch heute immer wieder zitiert. Wie ist das in unserem Leben, in der Arbeit, in der Partnerschaft, in der Kindererziehung? Vertrauen oder misstrauen wir eher? Wird uns vertraut oder fühlen wir uns eher kontrolliert? Muss man sich Vertrauen verdienen oder entwickelt es sich leichter oder vielleicht nur dann, wenn ein Vertrauensvorschuss gewährt wird?

Wann immer ich in den letzten Monaten in einem Unternehmen Workshops moderiert oder Teamentwicklungen geleitet habe, kam dieses Thema zur Sprache. Meistens ganz explizit, manchmal etwas versteckt.

Um engagiert zu arbeiten brauchen Mitarbeiter das Vertrauen, dass ihr Chef auch die Interessen der Mitarbeiter und der Gesamtfirma beachtet. Umgekehrt braucht ein Arbeitgeber das Vertrauen, dass die Mitarbeiter auch ohne Kontrolle zum Wohl der Firma handeln. Die Befürworter der „Vertrauen muss man sich verdienen-These" sagen z.B. Dinge wie: „Wir müssen da schon genau hinsehen, sonst nutzen die Mitarbeiter unsere Großzügigkeit total aus". „Ohne genaue Vorgaben tanzen die uns auf der Nase herum". „Mein Teamleiter sagt, er lasse seinen Mitarbeitern freie Hand, damit sie sich entfalten können, ich finde aber er hängt sich zu wenig inhaltlich rein. Wenn irgendetwas schief geht, muss schließlich ich dafür gerade stehen".

Menschen, die sich gewissem Misstrauen ausgesetzt fühlen, sagen etwa: „Ich soll mitdenken, mich voll einsetzen, Verantwortung übernehmen, aber kaum weiche ich ein wenig vom üblichen Weg ab, kriege ich eins auf den Deckel." „Vor jeder Präsentation muss ich meinem Chef haarklein berichten, weil er immer Angst hat, dass ich ihn sonst blamiere". „Hier wird bis ins Kleinste kontrolliert, die Arbeitszeiten, die Internet- und Handynutzung etc. Für jede „Übertretung" braucht es eine ausführliche Rechtfertigung. Ich finde das beschämend, unsere Bedürfnisse sind denen einfach egal".

Stehen sich beide Positionen fast unversöhnlich gegenüber, arbeite ich gerne mit dem Werte- und Entwicklungsquadrat von Schulz von Thun. Dessen Kern ist die Annahme, dass (1) unsere Welt vielfältige Anforderungen – manchmal auf den ersten Blick auch gegensätzliche, wie bei Vertrauen & Kontrolle - an uns stellt und (2)  jeder einzelne Wert nur dann konstruktiv wirkt, wenn er sich in guter Balance zu seiner sog. Schwestertugend befindet. Ein Mensch, für den beispielsweise Zielstrebigkeit einen hohen Wert hat, braucht als Schwestertugend auch ein wenig Gelassenheit, sonst gerät die Zielstrebigkeit leicht zu hektischem Aktionismus. Umgekehrt tut einem gelassenen Menschen ein wenig Zielstrebigkeit gut, um nicht in desinteressierter Trägheit und Tagträumerei zu versinken.

Das Quadrat für Vertrauen finden Sie rechts im Bild. Vertrauen braucht die positive Spannung mit der Vorsicht. Übersteigertes Vertrauen wird sonst zur naiven Vertrauensseligkeit, zu große Vorsicht führt zu Überkontrolle und vorauseilendem Misstrauen. Die Darstellung ist hilfreich, um in beiden Sichtweisen etwas Gutes zu sehen. Und sie stützt die Hoffnung, dass in jeder Person der manchmal schlummernde Gegenpol der verwandten Tugend geweckt werden kann. J  

Die richtige Balance zwischen den Werten ist ein enorm lohnenswertes Diskussionsthema für beide Seiten, um gemeinsam einen förderlichen Weg auszuhandeln, finde ich. In Unternehmen - und nicht nur da - ist Vertrauen ein Bindemittel jenseits von Macht und Zwang. Es lohnt sich also daran zu arbeiten.

Wie leben Sie Vertrauen in ihrem Umfeld? Vielleicht ist es Zeit für eine neue Balance?

Herzlichst, Ihre Susanne Kaßner

Ihre Gedanken und Anmerkungen interessieren mich.
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